Wachstum über alles – bis zum Untergang

10. Februar 2021

Wachstum ist in unserer Gesellschaft nicht mehr positiv besetzt: Die Datenkraken Unternehmen wachsen zu schnell und bekommen zu viel Einfluss; einige Bereiche der Wirtschaft, wie zum Beispiel das Finanzsystem, wachsen ungezügelt. Und wir verbrauchen immer mehr Ressourcen und vernichten damit unseren Planeten. Greta fordert einen verantwortungsvolleren Umgang mit unseren Ressourcen, Bürger fordern einen sozialeren Staat und alle reden von Nachhaltigkeit. 

Ein Blick auf die Fakten zeigt: In der Natur gibt es nur eine Richtung, nämlich Wachstum. Egal ob Einzeller, Pflanzen oder Tiere: wir können nur wachsen. Stillstand bedeutet Untergang. Nur bei Populationen, also dem Verbund von Organismen, können sich Gleichgewichte einstellen. Für viele Organismen in einer Population bedeuten Gleichgewichte aber dennoch Untergang durch gefressen werden.

Da größere Organismen wieder aus kleineren Strukturen wie Zellen, Bakterien oder Viren bestehen, ergibt sich für Populationen eine komplexe Mischung verschiedener Wachstumsstrategien:

  • Linear
  • Exponentiell
  • Beschränkt / logistisch

(Natürliche) Gleichgewichte – also Zustände von Nicht-Wachstum – können nur mit Populationen entstehen. 

Individualität verhindert Gleichgewicht

In einer Population gibt es aber keine Individuen. Und genau das ist unser Problem als Menschen. Wir verstehen uns als Individuen und akzeptieren damit kein „gefressen werden“ mehr. Und genau damit sind wir zum Wachstum bis zum Untergang verdammt. Mit dieser Randbedingung, dass wir uns um jeden einzelnen von uns kümmern werden, unseren Wertvorstellungen und unserer Ethik sind wir auf stetiges Wachstum angewiesen, das uns zugrunde richten wird. Oder gibt es doch noch Hoffnung?

Beim Leben auf Kosten anderer Ökosysteme und Gleichgewichtspartner werden wir immer besser: In den letzten 5.000 Jahren haben wir mit zunehmender Geschwindigkeit Dinge erfunden, die das rücksichtslose Wachstum unserer Population beschleunigen:

  • Werkzeuge und Technologien, die uns körperliche Superkräfte in Form von Maschinen verleihen.
  • Medizin und Verständnis unserer inneren Funktionsweisen, die uns immer älter werden lassen.
  • Digitale Technologien, die es ermöglichen, unsere geistigen Fähigkeiten zu potenzieren und zu beschleunigen.
  • Und soziale Interaktionsmodelle wie zum Beispiel agile Vorgehensweisen, die unsere Organisationsfähigkeit in Wirtschaftsverbänden (Unternehmen) nochmals massiv vorantreiben.

Der Ruf nach Nachhaltigkeit

Jetzt probieren wir mit einem neuen Konzept, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten: mit dem 3-Säulen- Modell der Nachhaltigkeit.

Ökologische Nachhaltigkeit

Kein Raubbau, Ressourcenschonung, Nutzung von regenerativen Verfahren. Faktisch legen wir einfach eine Grenze fest, bis zu der Raubbau gesellschaftlich akzeptabel ist. Doch der Natur und dem Gleichgewicht nützt das wenig, solange wir als Population unterm Strich immer mehr werden oder auch einfach bei 9 Milliarden Individuen verharren.

Soziale Nachhaltigkeit

Berücksichtigung von Schwachen und Randgruppen. Genau das funktioniert gut, solange es Wachstum gibt und man von etwas mehr einen Teil abgibt. Das Konzept wird nicht mehr funktionieren, wenn das System und unser Wohlstand nicht mehr wachsen. Besser wäre es, die Inklusion in den Mittelpunkt unseres sozialen Handelns zu stellen, nämlich den anderen so zu akzeptieren wie er ist. 

Ökonomische Nachhaltigkeit

Unternehmen sollen nicht kurzfristige Gewinne erzielen, sondern fair und langfristig wirtschaften. Und wenn Gewinn erwirtschaftet wird, dann soll etwas abgegeben werden.  Wenn keinerlei Akkumulation mehr möglich ist, verlangsamen wir auch unsere Innovationsraten. Innovation in Form großer wissenschaftlicher Durchbrüche benötigen wir heute aber, um unsere Population zu erhalten.

Nachhaltigkeit ist ein guter Anfang. Aber sie ist sicher nicht die Lösung unseres Wachstumsproblems!

Verantwortung für Veränderung

Zu versuchen, auf allen Ebenen Wachstum zu verhindern, ist aussichtslos. Es ist nicht unsere Aufgabe als Menschen Wachstum zu verhindern. Wachstum bedeutet Veränderung. Alles wächst (positiv oder negativ) – unsere Aufgabe ist es, diese Veränderung zu managen:

  • Für uns selbst
  • Für unsere menschlichen Gemeinschaften
  • Für unsere Systeme, in denen wir leben (Politik, Natur)

Ob wir dazu bereit sind, darf bezweifelt werden. Denn, um unseren Ressourcenverbrauch zu reduzieren und Nachhaltigkeit zu verbessern, ist kooperatives Handeln in der Logik der Spieltheorie erforderlich. Wir müssen einzeln im Alltag auf Dinge verzichten, auch wenn die anderen das nicht tun. Wir müssen in unserem Handeln persönliche Nachteile in Kauf nehmen, um das Wohl aller zu verbessern.

Genau das haben wir noch nicht einmal im Rahmen einer konkreten Pandemie Bedrohung geschafft. Selbst wenn wir Auswirkungen unseres persönlichen Handelns in fünf Tagen (Risiko zur Ansteckung von uns selbst) bis 21 Tagen (Wahrnehmung des Gesamtverhaltens in den Statistiken) betrachten, handeln wir Menschen egoistisch und nicht kooperativ. Wie wollen wir das beim Klima oder anderen Dingen erreichen, wo wir uns sogar noch über die Schadenspotenziale streiten und die Zeiten bis zur Messbarkeit der Auswirkungen Jahre oder Jahrzehnte betragen?

Die Ursache für die Probleme auf diesem Planeten sind wir Menschen. Vor allem die Anzahl. Und unsere Wertvorstellungen. Denn diese beiden Faktoren zwingen uns zum Wachstum. Das Wachstum zu verteufeln bringt nichts. Genauso bringt es nichts darauf zu hoffen, dass andere ihren Ressourcenverbrauch einschränken.

Wir müssen das Wachstum managen. Verantwortung übernehmen für Veränderungen. Und am besten fangen wir bei uns selbst damit an.

Quelle: https://pixabay.com/de/photos/architektur-wolkenkratzer-2256489/
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