Warum wir neue Ansätze gegen die Übermacht datengetriebener Unternehmen brauchen

31. Oktober 2018

Die großen datengetriebenen Unternehmen dieses Planeten wie Facebook, Google, Apple und Microsoft, aber auch Baidu, Tencent und Alibaba wachsen unaufhaltsam und springen in ihren Ergebniszahlen von einem Bewertungsrekord zum nächsten.

Sie scheinen mächtiger zu sein als Staaten, denn sie diktieren Verbrauchern und Regierungen ihre Regeln auf. Doch nach vielen Jahren der Bewunderung für die Innovationskraft und Nutzbarmachung der neuen Kraft von datengetriebenen Geschäftsmodellen regt sich nun Unmut bei Verbrauchern und Regierungen. Mit ganz unterschiedlichen Konzepten warnen diese vor dem menschlichen Untergang, wenn wir nicht anfangen, die Macht der Unternehmen zu zähmen.

Unternehmen als Akteure der Weltwirtschaft

Eine solche Vormachtstellung von Unternehmen, die durch ihre dominierende Position in treibenden Wirtschaftszweigen die Weltpolitik mitbestimmt haben, ist prinzipiell nichts Neues.

In den 1950er Jahren hießen die Bändiger und Zauberer der Atomkraft GE und Siemens. Mit staatlicher Unterstützung haben diese Unternehmen nicht nur Atomkraftwerke für Milliarden gebaut, sondern waren im Konglomerat von Waffen und Energie zugleich Spielball und Akteure der Weltwirtschaft.
In den 1990er und 2000er Jahren waren es die Finanzmagier, die die Welt zusammen mit den Regierungen gesteuert und manipuliert haben.

Daran wird zwar deutlich, dass keiner dieser Zyklen ewig andauert. – Alles hat seine Zeit. Dennoch sollten wir nicht einfach abwarten, ob die Zeiten der großen Datenmagier ohne unser Zutun vorüberziehen. Denn sonst werden wir bis dahin vielleicht nur noch datengetriebene Sklaven.

Die üblichen Ansatzpunkte der Regulierung sollen es wieder richten

Bei der Untersuchung der aktuellen Widerstandsbereiche gegen die großen Daten-Unternehmen lassen sich drei Bereiche identifizieren, mit denen die Politiker derzeit versuchen die großen Unternehmen wieder der Kontrolle der staatlichen und gesellschaftlichen Macht zu unterstellen:

  • Wirtschaftsmonopole (Kartellrecht)
  • Datenschutz
  • Copyright

Doch bei näherer Betrachtung dieser Ansätze entsteht der Eindruck, dass Digitalisierung im Kern nicht verstanden wurde und die Gegenmaßnahmen daher die völlig Falschen treffen oder zumindest nicht die beabsichtigte Wirkung erzielen (können).

Wirtschaftsmonopole (Kartellrecht)

Die großen Digitalunternehmer sind nicht in einem bestimmten Markt unterwegs. Daher verfängt auch der Begriff des Monopols nicht richtig. Es handelt sich weder um Angebots- noch um Nachfrage-Monopole im klassischen Sinne. Durch die Verbindung von Diensten über verschiedene, bislang getrennte, Märkte hinweg wie Mail, Musik und/oder News entsteht eine Monopolisierung durch die Verbindung von Nutzerdaten über diese unterschiedlichen Dienste.

Da kommt man mit herkömmlichen Definitionen nicht weiter. Auch der Versuch der EU, eine monopolartige Marktmacht zu unterstellen, wenn die betreffenden Unternehmen für eine Reduktion der Anzahl der Wettbewerber verantwortlich sind, passt nicht. Denn natürlich entstehen durch die massiven Effizienzgewinne von digitalisierten Prozessen erstmal größere Marktkonstrukte.

Auch die Unternehmensgröße passt nicht als Maßstab, denn die digitalen Riesen haben deutlich weniger Mitarbeiter, als die einst mächtigen Erdöl- oder Chemie-Konzerne. Und einfach die Marktkapitalisierung als Indikator der Gier von Investoren als Maßstab für Allmachtsphantasien herzunehmen, die es zu zerschlagen gilt, wirkt dann doch etwas weit hergeholt.

Datenschutz

Der Ansatz, Google und Facebook über Datenschutzbestimmungen an die Kette zu legen, um so die Geschäftsmodelle mit den Daten von Individuen auszutrocknen, erscheint im Gesamtbild eher unbeholfen. Denn gerade die großen Player mit ihren schier unendlichen Ressourcen können darauf in perfekter Form reagieren. Entweder auf der rechtlichen Ebene, oder durch Anpassungen in technischer Form.

Genau diese Möglichkeiten sind für die vielen tausend oder sogar Millionen anderer Unternehmen mit geringeren Ressourcen ungleich schwerer zu realisieren. Daher wird eine Hauptfokussierung auf Datenschutzthemen die Vielfalt der kleinen Unternehmen reduzieren und volkswirtschaftlich betrachtet genau den großen Anbietern zu Gute kommen.

Datenschutz ist zweifelsohne ein wesentliches Grundthema unserer digitalen Souveränität, aber bestimmt kein geeigneter Ansatz um den Datenmonopolisten zu Leibe zu rücken.

Copyright

Die Idee von Patenten und Copyright-Gesetzen ist, in nahezu allen Rechtssystemen denjenigen zu schützen, der in eine Idee investiert hat (Patent) – oder demjenigen zur Nennung und damit zum Erlös zu verhelfen, der die Idee (Artikel, Buch, Veröffentlichung) gehabt hat. Nachahmer oder Nachplapperer sollen also das Nachsehen haben.

Dies hat seinen Sinn, solange die Distributionswege (Verlag, Label, Zeitung) eine eigene Reichweite haben und ihren Content selbst erzeugen und auch verteilen.

In einer Welt, in der die Distributionswege Google, Facebook und Co. heißen, faktisch also Aggregatoren sind und keinen eigenen Content erzeugen, ergibt dieses System keinen Sinn mehr. Die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung kann nur der Veröffentlichende übernehmen, aber kein Aggregator. Oder zumindest nur dann, wenn Distributionsweg (Aggregator) und Contentlieferant eine faire Partnerschaft eingehen.

Offensichtlich ist in den Augen der Öffentlichkeit die geregelte Distribution für den Copyright Aspekt der wesentliche Punkt. Aber was ist eine Äußerung wert ohne einen Distributionskanal? Erst die abgestimmte Gesamtlösung hat einen Wert.

Und aus dem Gedanken des Monopol-Schutzes wird klar, dass alle Ideen über alle Distributionswege verfügbar sein sollten. Damit hebeln sich verschiedene Schutzkonzepte aus der alten Welt vor der Digitalisierung prima aus. – Und das nutzen die Digital-Magier natürlich aus.

Grundsätze der Digitalisierung

In der digitalen Welt geht es nicht mehr um Kontrolle des Zugangs zu einem knappen Gut, sondern um die Steuerung der Nachfrage für etwas, das es im Überfluss gibt (Musik, Artikel, Bücher, Filme).
Dieses Konzept hält jetzt sogar Einzug in die physikalische Welt der Hotels oder Autos (AirBnB, Uber etc.). Den Klebstoff dafür bilden die Daten, die das Angebot mit der Nachfrage verbinden (Plattform-Ökonomie).

Wie wäre es, wenn die großen Anbieter diese Daten offenlegen, also per API zugreifbar machen müssten? Und noch einen Schritt weitergedacht: Was wäre, wenn wir unsere Profildaten transparent von einem Anbieter zu einem anderen mitnehmen könnten?

Dabei geht es um die Offenheit von Schnittstellen und den damit verbunden Zugriff auf die Daten der Datenmagier. Die Forderung nach Offenheit der Datenschnittstellen reicht also nicht aus. Wir müssen auf den freien Zugang zu den dahinter liegenden Meta-Daten – die von einem Anbieter gesammelten Präferenzen einer Person, also das Wissen um die Daten herum, drängen. Genau solche Regelungen würden die großen Anbieter im Mark treffen und für neuen Wettbewerb sorgen.

Kernpunkt der Digitalisierung ist das Verbinden

Aber wer sollte das fordern? Es gibt in einer staatlichen Organisation kein Ministerium für übergreifendes Wissen, das sich aus Verbunddaten ausbaut. Denn bei der Digitalisierung geht es ja gerade um die Verbindung von Informationen und Abläufen, die wir bislang durch Schubladen wie Branchen getrennt haben.

So ist es aktuell vor allem der Unmut der Verbraucher, der den großen datengetriebenen Unternehmen zumindest ein kleines bisschen Sorgen bereitet. Darauf werden die großen Player aber mit einer gut überlegten Marketing-Kampagne sicher eine Antwort finden.

Als Individuen und Gesellschaft haben wir die Chance, durch Nachdenken und Diskussionen neue und strukturell bessere Lösungen für den fairen Umgang mit Daten zu finden als die ungeordneten Initiativen von einzelnen Behörden und Instituten, die in ihren Einzelsicht-Denkmustern verhaftet sind.

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