Wird Blockchain zum Infrastruktur-Protokoll für digitale Geschäftstransaktionen?

27. Juni 2018

Das Thema Blockchain assoziieren wir heute vor allem mit Kryptowährungen wie Bitcoin. Und irgendwie scheint der Begriff Blockchain die Zahl 42 als Antwort auf alle Fragen gerade abzulösen. Vielleicht, weil Blockchain zu einem Quasi-Internetstandard für verteilte Transaktionsmodelle und damit auch für digitale Geschäftstransaktionen werden könnte.

So wie heute Protokolle wie TCP als Verbindungsprotokoll die Basis für die gesamte Internetwelt bilden, SMTP der Standard für den Austausch von Mails zwischen Mailservern ist oder HTTP den Aufruf von Webseiten mit einem Internet-Browser ermöglichen.

Das Rückgrat der digitalen Welt

Das Interessante bei den ganzen Internetstandards ist, dass sie aufeinander aufbauen und mit ihnen im Laufe der Jahre immer komplexere Applikationsprotokolle abgebildet wurden. Interessant ist auch, dass all diese Standards frei zu verwenden sind und erst in den Schichten darüber Geschäftsmodelle und Patentschutz möglich werden. Genau dieses offene, modulare Konzept hat das Internet zum weltumspannenden Infrastruktur-Rückgrat der gesamten digitalen Welt gemacht.

Das Transaktions-Modell der Internetriesen

Für Konsumenten-Geschäfts-Transaktionen haben die Internet-Giganten ein neues Konzept eingeführt: Der Bestellvorgang durch den Nutzer, die Bereitstellung des Dienstes (z.B. Spotify oder ein digitales Buch) sowie die Bezahlung sind zu einem Knopfdruck, also zu einer Benutzer-Interaktion, zusammengefasst worden.

Dazu benötigt man Serviceprovider, denen man in Bezug auf die Auslieferung vertraut, und einen Zahlungsanbieter wie Paypal, der den Zahlungsfluss sofort sicherstellt. Die klassischen Banken haben erst viele Jahre später gelernt, wie eine solche durchgebuchte Sofort-Transaktion gehandhabt werden kann und muss – und einige Banken können das bis heute nicht.

In der Geschäftswelt ist dieses Vorgehen mit der Zusammenführung der Teil-Transaktionen in eine Interaktion aufgrund der Komplexität größerer Geschäfte nicht möglich. Außerdem stößt das Konzept mit dem Vertrauen bei größeren Werten klar an seine Grenzen.

Blockchain: Die richtige Antwort auf komplexe Fragen

Für eine komplexere Maschine tauscht man Spezifikationen aus, erhält ein oder mehrere Angebote, stellt Rückfragen und beauftragt. Man erhält das letzte Angebot, nimmt Teillieferung entgegen, leistet Teilzahlungen, nimmt die Leistung ab und leistet seine letzte Zahlung. Dann beginnt die Gewährleistungsphase mit Rechten der Zurückhaltung und Verrechnung. All dies ist mit tausenden von Gesetzen, Verordnungen und Urteilen juristisch verzahnt.

Genau dafür ist ein Konzept wie Blockchain die richtige Antwort. Auch wenn Smart Contracts solch komplexe Transaktionen zunächst noch nicht werden abwickeln können, so ist deren erfolgreiche Durchführung nur eine Frage der Zeit.

Smart Contracts für komplexe Lieferketten

Ein weiteres Einsatzgebiet von Smart Contracts sind komplexe Lieferketten. Das Supply Chain Management für digitale Services oder auch für Bauteile lässt sich prima mit Smart Contracts managen.

Schon heute können mit Smart Contracts Blockchain-basierte komplexere digitale Geschäftstransaktionen wie Auktionen in Ethereum abgewickelt werden. Das Konsens-Prinzip der verteilten Buchführer (Ledger) ermöglicht die Unabhängigkeit von einer zentralen Vertrauensinstanz.

Viele Projekte und Unternehmen buhlen um die Vorherrschaft bei der Suche nach dem heiligen Gral für „ihre“ Blockchain-Implementierung. Dabei geht es sowohl um verschiedene Ansätze und Detailkonzepte für die Implementierung der Blockchain selbst sowie um die Suche nach dem Optimum zwischen Transaktions-Frequenz, Sicherheit und Speicherplatz für eine Transaktion, als auch um die Suche nach der Killer-Anwendung, also einer Geschäftsidee mit einem möglichst großen Impact.

Die Zukunft für digitale Geschäftstransaktionen?

Einen solchen Wettbewerb wie jetzt um die optimale Implementierung für ein Blockchain-Konzept hat es in den 70er und 80er Jahren bei den anderen Internet-Protokollen in dieser Form nicht gegeben. Und klar ist, dass solange man sich nicht auf eine offene Referenz-Implementierung einigt, daraus auch keine wirkliche Infrastruktur für digitale Geschäftstransaktionen werden kann, die wie SMTP und HTTP wirklich alle Geschäftstransaktionen auf diesem Planeten beeinflussen kann.

Es ist also gerade spannend mit anzusehen, in welche Richtung die verschiedenen Blockchain-Projekte laufen und ob eins dieser Projekte das Rennen machen und wirklich in offener Form bereitgestellt wird.

Unmöglich ist dieses Vorgehen nicht, wie man bei Elon Musk gesehen hat, der 2014 die Patente von Tesla für die Herstellung von Elektroautos veröffentlichte, um so auch Wettbewerbern den Zugang zu ermöglichen und der Elektromobilität durch Standardisierung zum Erfolg zu verhelfen.

Ob sich Blockchain in den nächsten Jahren tatsächlich als Infrastruktur für digitale Geschäftstransaktionen etablieren wird und damit alle intermediären Geschäftsmodelle disruptieren kann, die auf zentralen Vertrauenskonzepten basieren, ist eine realistische Möglichkeit, die aber wesentlich von der Einigung auf ein einheitliches und offenes Format abhängt.

Wir leben in spannenden Zeiten in Bezug auf die Zukunft von digitalen Transaktions-Geschäftsmodellen und sollten im Auge behalten, wie sich die Blockchain-Gemeinschaft entwickelt.

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