Wird Werbung, wie wir sie heute kennen, in der digitalen Welt überflüssig?

13. Juni 2018

In der realen Welt buhlen Plakate, Leuchtreklamen, Fernsehspots oder Zeitungsanzeigen um unsere Aufmerksamkeit. In der virtuellen Welt erscheinen blinkende Banner auf dem Bildschirm oder, wie bei der (Google-) Suche, werden uns die beworbenen Produkte oder Dienste weiter oben angezeigt.

Produkt nach Wahl – noch

Als treuer Amazon-Kunde sucht man aber nicht mehr mit einer Suchmaschine wie Google oder der besseren europäischen Alternative Quant nach einem neuen Produkt, sondern fragt den „Ich kann alles liefern“-Dienst aus Seattle direkt und ohne Umwege. Auch bei Amazon kann man daher inzwischen gesponserte Platzierungen kaufen. Noch haben wir die Wahl, zumindest wenn wir ein wenig lesen und nicht nur die ersten zwei oder drei Angebote anschauen. Aber ist das die Zukunft? Wie wird die Digitalisierung unseren Umgang mit Werbung verändern?

Obsoleszenz auf dem Vormarsch?

Die Sprachassistenten zeigen die Richtung: Wenn man Alexa nach Batterien oder anderen Commodity Produkten fragt, bekommt man einfach eine Antwort. Keine Auswahl, keine mühsame Entscheidung. Einfach EIN Ergebnis. Welchen Wert hat in so einer Welt noch eine Marke? Braucht es da überhaupt noch einen Duracell Hasen mit einem Vermarktungskonzept, Videoclips und einer Markenführung?

Unternehmen, die es schaffen, eine aktive Kommunikationsbeziehung mit uns vertrauensvoll zu besetzen, ersetzen damit die Notwendigkeit einer Orientierung direkt für alle über diesen Kanal zu beziehenden Leistungen – kurz: sie machen die dahinter liegenden Marken obsolet. In der physischen Welt – wie einem Supermarkt – zählen Vertrauen zu Marken und Aufmerksamkeit. Lange Zeit haben wir versucht, diese Methoden in die virtuelle Welt zu übertragen.

Herausgekommen sind riesige Aggregator-Monopole wie Google und Facebook, denen wir als Verbraucher unsere Daten und die Marken ihr Geld gebracht haben.

Die direkte Kundenbeziehung als Dreh- und Angelpunkt

Amazon schaltet ab sofort keine Werbung mehr bei Google. Unternehmen, die bei uns Verbrauchern für etwas stehen und dies erfolgreich in eine regelmäßige Kommunikationsbeziehung umwandeln, brauchen keine Unsummen für Werbung auszugeben wie Coca Cola oder unsere Automarken. Sie investieren ihr Geld in den direkten Draht zu uns – in eine aktive und bidirektionale Kommunikationsbeziehung.

Dafür legen die Wettbewerber Mercedes und BMW ihre Mobilitäts-Lösungen Car2Go und DriveNow zusammen. Heute kann man darüber nur individuelle Stadtmobilität als Verbraucher organisieren, morgen schon autonomes Fahren im Mobilitätsmix von Auto, ÖPNV, Fahrrad oder demnächst auch einem Flug. Der Wettbewerber für diesen aktiven Kanal bei uns Benutzern ist Uber – heute noch ein Taxi-Vermittler. Alle Marken dahinter, also Automarken, Tankstellen, Werkstätten, Versicherungen und viele mehr werden verschwinden und unbedeutend werden.

Marken wie Adidas und Nike versuchen gerade, den direkten Kontakt zum Endkunden zu bekommen und verprellen damit ihre Händler, die früher als Channel-Vertrieb die Umsätze organisiert haben. Dahinter steckt die Angst, komplett hinter großen Fitness Apps wie MyFitnessPal oder – noch wahrscheinlicher – hinter Apple und Google als Datendrehscheiben für unsere Fitness- und Gesundheitsdaten zu verschwinden.

Allein an der Wachstumsspitze

Spotify und Apple Music sind die einzigen Musikdienste, die noch massiv wachsen. Sie werden beeinflussen, welche Künstler (und damit Marken) wir morgen noch kennen werden. Die paar Superstars, die uns bekannt sind, werden wir uns noch direkt wünschen können. Der Rest unseres Musikkonsums wird irgendwie beigemischt und aufgefüllt. Über diese Dienste wird in Zukunft nicht nur das Hören, sondern auch der Markt der Musikvideos organisiert. Wofür braucht man da noch MTV oder Vevo?

Im Fokus: der Kundennutzen

Wem es gelingt, diese aktiven (Vertrauens-)Kanäle in unser Hirn zu legen, der hat es geschafft. Diesen Unternehmen vertrauen wir in Zukunft den Auswahlprozess zu den Subleistungen an, die heute noch mit starken Marken um unser Geld buhlen. Nur neue digitale Geschäftsmodelle machen dies möglich. Heute noch einzeln vermarktbare Produkte und Services werden in komplexen Supply Chains, also in kompletten Ketten, digital organisiert, orchestriert und vermarktet.

Und alle dahinter liegenden Marken und die damit verbundenen Marketing-Ausgaben und Marketing-Kanäle werden wir einfach nicht mehr benötigen. Es macht also Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, mit welchen Kern-Nutzen-Angeboten man B2C- und B2B-Kunden in Zukunft überhaupt noch erreichen kann. Wie sieht der Kundennutzen in diesem Bereich zukünftig aus? Denn diese Entwicklung betrifft auf lange Sicht sicherlich auch die B2B-Welt mit ihren Messen, Zeitschriften und Google AdWords Ausgaben.

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